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  • Bruno Küttel

Locker, leicht, lächelnd


Tanja, die meinen Blog betreut, hat auch eigene Leidenschaften. Sie hat ein Herz für Bücher, die fast vergessen sind. Um Bücherfreunde warb sie, die ihr helfen, mit einem finanziellen Beitrag, alte, aber noch immer wertvolle Bücher in einem zeitgemässen Gewand neu aufzulegen und unter die Leute zu bringen. Ein «Buchheld» konnte werden, wer seinen Obolus dafür gab. «Mit Ihrer Hilfe digitalisieren wir fast verschollene Bücher der Literatur – meist aus der Schweiz –, Geschichte sowie Geisteswissenschaft, und geben sie neu heraus. Unterstützen Sie uns dabei und werden Sie Buchheld/Buchheldin.» So lautete Tanjas Aufruf vor einiger Zeit, dem ich mit Freude folgte. Etwa hundert ältere Bücher, die ihr lieb waren, wollte Tanja vor dem totalen Vergessen bewahren. Eine heldenhafte Tat fürwahr, wie sich zeigen sollte – gemäss der Definition: eine besondere, ausseralltägliche Leistung.

Auch in diesem Jahr waren wir wieder in Schottland, für ein paar Tage Wandern, und als wir nach Hause kamen, fand sich die folgende Nachricht unter den Mails, die sich angesammelt hatten: «Lieber Bruno, wie war eure Zeit in Schottland? Viele prächtige Kilometer gelaufen? Ein Kampf in mir geht zu Ende. Ich habe rund um die ‘Buchhelden’ Entscheidungen getroffen. Mein Fazit nach vielen Stunden Mehraufwand, Video drehen, marktschreierisch werben, Stiftungen und Kultur-Institutionen anschreiben und und und … Es interessiert keinen, musste ich zur Kenntnis nehmen. Fast keinen auf jeden Fall. Nicht einmal unter den angefressensten Buchfreunden … Das ist ernüchternd, und ich brauchte eine Weile, bis ich mir eingestehen konnte, dass ich da etwas ändern muss. ‘Buchhelden’ gibt es auch künftig, aber keine Jahresmitgliedschaft mehr und keine Vergünstigungen auf die Bücher. Das sind jetzt reine Sponsorenbeiträge, frei in der Höhe. Wahrscheinlich kommt eh nicht mehr viel rein. Aber ganz sterben lassen will ich es nicht. Dafür hängt mein Herz zu sehr an diesen alten Büchern … Soeben gab ich das erste Buch der ‘Buchhelden-Edition’ in Druck. Eine Neuauflage der ‘Zürcher Sagen’ von Meinrad Lienert. Weitere Buchpublikationen folgen. Da jetzt aber die ganze Last auf meinen Schultern liegt – eine Buchpublikation von dieser Art verursacht einen Aufwand von … –, mache ich das nun in einem gemächlicheren Tempo … Ich hoffe sehr auf dein Verständnis – du bist ja einer von diesen wenigen, die mich unterstützten – und danke dir noch einmal von Herzen, dass du ein ‘Buchheld’ geworden bist. Herzliche Grüsse, Tanja.»

Und ich gab Tanja zur Antwort: «Schön war es in Schottland! Aber es war auch ein Wehrmutstropfen dabei. Unser Gepäck reiste nicht so schnell wie wir. Beim Umsteigen in Schiphol/Amsterdam – wir flogen mit der KLM – blieben unsere Koffer hängen und damit auch die Ausrüstung fürs Wandern. Verbunden mit der Hoffnung, dass unsere Sachen mit einem Tag Verzögerung doch noch in die Highlands kämen, stellten wir das Programm kurzfristig um. Es kam aber anders als gehofft. Vier von sechs Koffern waren am Dienstag da, drei Tage nach dem Flug, und zwei weitere Koffer, die von Claudia und von mir, erhielten wir am Donnerstag, als wir zurück in Edinburgh waren. Also standen mir meine Sachen erst in den letzten Tagen in der Stadt wieder zur Verfügung. Und das Gleiche geschah uns noch einmal auf dem Rückflug nach Zürich. Da aber hatte es nicht mehr die gleiche Auswirkung, da wir ja nach Hause kamen. Hier konnten wir es, mit einer Portion Humor, sogar als besonderen Service betrachten, dass uns das Gepäck per Kurier vors Haus geliefert wurde … Aber trotzdem: Schottland war schön! Und erstaunlicherweise konnten wir, nachdem wir uns mit neuen Wanderschuhen – wirklich schöne Schuhe, in denen sich’s gut läuft – und mit ein wenig Unterwäsche und mit den nötigsten Hygieneartikeln eingedeckt hatten, das meiste von dem unternehmen, was geplant war. Nur machten wir nicht ganz so viele Wanderkilometer, wie wir im Sinn gehabt hatten … Aber auf die Menge kommt es ja nicht entscheidend an. Und insgesamt hatte das Debakel mit den Koffern auch seine gute Seite: Ich machte die Erfahrung, dass es gar nicht so viel braucht, wie ich normalerweise auf die Reise mit mir nehme. Ich denke, dass ich beim nächsten Packen der Koffer … Und die Tatsache, dass ich mit wenig auskam in diesen Tagen, hat mich jetzt auch ermutigt, einmal eine Schottland-Tour nach der Art mitzumachen, wie es unser Sohn Hannes am liebsten macht. Mit möglichst leichtem Gepäck, mit dem Zelt draussen, fünf Tage oder so, durch die Cairngorm Mountains, bei Sonne, Wind und Wetter … Und was deinen Kampf anbelangt: Die Folgerung, die du ziehst, überzeugt mich. Du bleibst an deiner Herzenssache dran, ob es die anderen kümmert oder nicht, aber du machst es auf deine eigene Art. Du nimmst dir den Druck weg, den unser ‘normales’ Denken produziert, und du besinnst dich auf dich selbst … Das ist das Beste, was wir können. Wenn wir unsere Herzenssache leben, ist das sowieso ein wertvoller Beitrag an das grosse Ganze, unbesehen der Frage, ob es viele mittragen oder mitfinanzieren. Das Wichtigste ist doch einfach, dass wir uns vom Weg nicht abbringen lassen, für den wir in unseren Herzen einen Kompass haben … Wenn ich zusammenzähle, wie viel ich schon in meine Büchersache steckte, bin ich selbst erstaunt, und auch da ist das Echo bis jetzt … Wertvoll ist es trotzdem, das weiss ich. In dieser Hinsicht habe ich keinen Zweifel. Und wohin es führt? Wer kann das sagen?! In diesem Sinn: Mein Verständnis für deine Entscheide hast du voll und ganz. Hab eine gute Zeit und herzliche Grüsse, Bruno.»

Und dann sandte ich, ein paar Stunden später, an Tanja noch eine Nachricht: «Jetzt habe ich auch deinen Blogpost zum Thema gelesen. Du beschreibst, wie du es jetzt angehst: ‘locker, leicht, lächelnd’. Und so stimmt er erst recht, dein Entscheid! Auch das gehört zum Besten, was wir für das grosse Ganze leisten. Jeder und jede auf seine/ihre Art. Und so sind wir immer irgendwie auch Heldin oder Held in deiner und meiner Geschichte …»

Dann liess ich es eine Weile ruhen und schickte dann noch einmal eine Mail: «Liebe Tanja, auf die Schnelle ist wieder eine Geschichte entstanden. Ich hoffe, du erlaubst mir, dass ich deine Worte auf diese Weise verwende. Jetzt lasse ich ‘Locker, leicht, lächelnd’ noch ein bisschen reifen. Ganz ausgereift ist sie noch nicht … Und noch etwas: Als uns diese Sache mit den Koffern in Schottland geschah, war das ärgerlich im höchsten Grad. Nur Erika, die auf der Reise dabei war, behielt trotz allem immer ihren Humor. Sie, die weiss um meine Sinnsucher-Leidenschaft, sagte einige Male, schmunzelnd und mit einem Seitenblick auf mich: ‘Wer weiss, wofür es gut ist?!’ – Vielleicht weiss ich es jetzt. Vielleicht ging es um die Geschichte, die in der Zwischenzeit mit deiner Hilfe entstand …»

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