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Interview, November 2015:

«Anwalt & spirituell Suchender

– beisst sich das?»

Tanja: Lieber Bruno, Du bist ein schreibender Anwalt, ein Erzähler, der auch auf spiritueller Suche ist – eine eher ungewöhnliche Mischung, wie mir scheint. Wie hat das Erzählen bei Dir begonnen?

Bruno: Zu schreiben begann ich ziemlich genau vor 11 Jahren, als ich 47 war, also im Jahr 2004. Das heisst, da entschloss ich mich, den Stoff, den ich gesammelt hatte, in die Form eines Buches zu bringen. Und mit dem Sammeln meines Stoffs habe ich noch einmal 6 Jahre früher begonnen, im Herbst 1998. Oder wenn ich es anders sage, da nahm mein bewusstes Suchen in der Welt des Spirituellen seinen Anfang.

 

Das Schreiben und die Suche in der spirituellen Welt hängen also zusammen?

Ja, das hängt bei mir zusammen. Ich schreibe ja keine Romane, auch wenn mir mein Leben schon hin und wieder wie ein Roman vorkommt. Da fügt sich eines zum anderen. Das war schon immer so, aber seit ich das Spirituelle für mich entdeckt habe, nehme ich dieses Sich-Fügen bewusster wahr. Also mit dem Schreiben war das so: Als ich im Herbst 1998 in der Zeitschrift «Zeit-Punkt» ein kleines Inserat sah – «Einführung in das geistige Heilen, Haus der Stille, Kappel am Albis» – war mir sogleich klar, dass das etwas für mich war. Ich schlief eine Nacht darüber und meldete mich am anderen Tag an. Zwei Wochen später fand das Seminar statt. Zwei ereignisreiche Tage. So neu für mich und faszinierend, dass ich fand, was ich erlebte, wäre es wert, festgehalten zu werden. So begann ich, Tagebuch zu schreiben. Das hatte ich vorher nie gemacht. Und aus dem Tagebuch hat sich nach und nach, über die Jahre, mein Erzählen entwickelt. Was heute mein Erzählen ist, hat also seinen Ursprung bei dieser «Einführung in das geistige Heilen» im Jahr 1998. Wobei ich aber auch noch sagen muss: Das Schreiben und das Erzählen lagen mir früher auch schon. In der Schule waren die Aufsätze immer mein Liebstes, das machte ich richtig gern.

 

Der Anwalt hatte also nie wirklich geplant, Autor zu werden? Was ist Dir wichtig, was möchtest Du mit Deinen Büchern zu den Lesern «transportieren»? Deine spirituellen Erfahrungen?

Du stellst zwei Fragen aufs Mal. Also eins ums andere: Nein, geplant war das nicht. Das hat sich … ergeben. Warum ich hier zögere: Ich hätte fast «einfach ergeben» gesagt. Aber einfach war es nicht immer. Dass eines sich aus dem anderen ergab, dass es genau richtig kam, kann ich erst jetzt, wenn ich zurückschaue, sagen. Im Moment, da ich es erlebte, wusste ich nicht, wohin es führt. Ich fragte mich selber oft, was ich da mache und was ich wirklich will.

Und was mir besonders wichtig ist: Ich will den Leserinnen und Lesern Mut machen, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn sie dabei da und dort auch auf Unverständnis stossen. Das auszuhalten, ist nicht immer leicht, aber es ist wertvoll, weil es um das geht, das im Innersten eines jeden Menschen ruht. Ich habe die feste Überzeugung, dass in jedem Menschen etwas angelegt ist, das es zu entwickeln gilt, zum Wohle auch der Gemeinschaft. «Entwickeln» durchaus wörtlich genommen. Frei gemacht von dem, was es einhüllt. Befreit von der Schale, die zeitweise auch ein Schutz ist. Seit ich es vor einigen Jahren las, ist mir ein Satz des amerikanischen Visionärs Henry David Thoreau, der im 19. Jahrhundert lebte und wirkte, nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich habe es sozusagen zu meinem Mantra gemacht: «Was vor uns liegt und was hinter uns liegt, sind Kleinigkeiten im Vergleich zu dem, was in uns liegt, und wenn wir das, was in uns liegt, in die Welt hinaustragen, geschehen Wunder.» Dass Wunder geschehen in diesem Sinn, ist mir auch wichtig. Wobei wir, was diese «Wunder» anbelangt, uns nicht allzu sehr einschränken lassen sollten. Wunder zu wirken, ist kein Privileg der Heiligen. Wunder sind diese Dinge, die wir nicht erwarten, mit denen wir nicht rechnen, die nicht dem entsprechen, was «man» üblicherweise erwartet. Das Wunder überrascht uns. Was ich also – um zu Deiner Frage zurück zu kommen – zu den Lesern transportieren will, sind nicht eigentlich «spirituelle Erfahrungen», wie man sie landläufig versteht, sondern ist meine Erfahrung, dass sich das Spirituelle mit dem Alltäglichen verbindet, im Beruf, in der Familie, in der Beziehung, einfach überall. Es gab einmal eine Zeit, da war das Spirituelle die Domäne der Religionen. Dann kamen in den letzten 30, 40 Jahren die Therapeutinnen und Therapeuten, die Heilerinnen und Heiler mit ihren spirituellen Angeboten in immer neuen Formen. Und jetzt ist es an uns, das alles in den Alltag zu integrieren. Dieses Verbinden des Spirituellen mit dem Alltag, das ist mir wichtig.

 

Wie gut schafft es denn der Anwalt – gestern und heute –, seinen Berufsalltag und das Spirituelle zu verbinden? Beissen sich diese zwei nicht gegenseitig, der Anwalt und der spirituell Suchende?

Die haben sich gebissen. Und das ist es, was ich meine, wenn ich sage: Es war nicht einfach. Aber es hat sich gelohnt, gerade deshalb. Jetzt beissen sie sich nicht mehr. Weisst Du, ich habe in den ersten Jahren in dieser Welt des Spirituellen mit der Frage gerungen, ob ich jetzt ein Heiler werde und das Anwalten aufgebe. In der Heiler-Szene gibt es ja viele, die ihren sogenannt bürgerlichen Beruf zugunsten des Spirituellen aufgegeben haben. Ich spielte mit dem Gedanken, aber ich machte ihn nicht wahr. Irgendetwas widerstrebte mir dabei. Und natürlich konnte und wollte ich das Sichere, das mein Beruf für mich und unsere Familie bedeutete, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Inzwischen bin ich froh, dass ich den Beruf nicht aufgab. Auch als Anwalt erlebe ich, wie sich Knoten und Knöpfe lösen, wie Dinge ins Fliessen kommen, wo es zuvor noch staute. Ich komme immer klarer zur Erkenntnis, dass es da wie dort nicht anders ist. Wird jemand krank, dann geht er oder sie zum Arzt, zur Ärztin oder zu den Heilern und Schamanen. Wenn es rechtlich Ungelöstes gibt, sucht man den Anwalt auf. Ein heilendes Wirken, wie ich es verstehe, ist es da wie dort. Manchmal gelingt es gut, dieses Lösen und Weitergehen, und manchmal … Aber das ist bei den Ärzten und Heilern auch nicht anders. So habe ich inzwischen zu einer umfassenderen Sicht in meinem Beruf gefunden. Der Weg über das Heilen hat mir den Horizont erweitert. Und wenn ich jetzt von meinem Weg erzähle, verbinde ich damit den Wunsch und die Hoffnung, dass andere, die sich zum Spirituellen hingezogen fühlen, zu einem ähnlich weiten Verständnis finden. Ich glaube nämlich, dass diese unsere Welt «Heiler» und «Heilerinnen» an allen Enden braucht.

Auch das ist mir ein Anliegen. Schau, was jetzt in Frankreich geschieht, oder in Bamako in Mali, oder in Beirut im Libanon, in Syrien, in der Ukraine … Da ist es doch wichtig, dass wir uns von der Angst nicht überwältigen lassen. Da geht es überall auch um die Macht. Für mich kein Zufall, dass man da für seine Machtansprüche immer wieder auch das Spirituelle bemüht. In diesem Sinn sage ich jetzt gern: Wenn wir das Spirituelle in den Alltag integrieren, dann nehmen wir selber die Macht in die Hand, statt dass wir uns manipulieren lassen. Ob wir «in den Himmel kommen», sagen nicht die Mächtigen dieser Welt – auch nicht ihre «Hohen Priester». Das ist es auch, was ich mit meinem Erzählen unter die Leser bringen will. 

 

Lieber Bruno, danke für deine inspirierenden Worte! Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Interview.

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Interview geführt von Tanja Alexa Holzer, wortfeger.ch 

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